Stimmen meine Erinnerungen?
Kinder-Verschickungs-Kuren - eine frühkindliche Basis meiner erwachsenen Albträume
Eine der „Erzieherinnen“ hatte wohl einen Narren an mir gefressen und ich habe ihr auf den ellenlangen Wanderungen – die nur zu unserem Besten stattfanden und die wir hassten – Geschichten erzählt. Erfundene Geschichten. Ich murmelte schon immer viel vor mich hin.
Was sollte er denn jetzt nur tun? Schreien und um Hilfe rufen, damit dann jeder mitbekäme, dass er die Karte nicht eingesteckt, sonder getrödelt und gespielt? Leise bleiben und die Nacht in der Grube verbringen, mitten im dunklen Wald? Er konnte sich so gar nicht entscheiden und so rollte er sich zusammen und weinte leise vor sich hin.
Die Nacht brach herein und ein Sturm kam auf und es regnete und er konnte sich so gar nicht mehr rühren, weil es in ihm gar erbärmlich zitterte und bebte. Irgendwann hörte er dann Stimmen und spürte wie jemand ihn aufhob. Zu Hause trug ihn sein Vater hinauf in seine Koje und die Mutter saß noch lange an seinem Bett und streichelte und herzte ihn. Die Karte lag vergessen im Schlamm in der Grube und niemals wieder wurde nach ihr gefragt.
Wenn ich mich recht entsinne, habe ich ab da für eine lange Zeit keinem Erwachsenen mehr eine Geschichte erzählt und mir auch beigebracht nur noch leise, so innen drin für und vor mich hin zu murmeln.
Und damit ist es gut jetzt, endlich - für damals und für heute. Und das ist wunderbar. Doppelpunkt.
Lene, Lene, beug das Knie. Nie!
Menschen, die mir nah waren und sind, rufen mich Lene. Ich erinnere mich nicht, dass jemand mich mal zärtlich Lenchen rief. Auch nicht der Großvater. Der hatte eh mächtigen Ärger am Hals, weil er den von den Weibsleuten ausgesuchten Namen für mich auf dem Weg zum Standesamt verschusselte. Irgendwas mit H und kleinem e meinte er sich zu erinnern. Also nahm er halt das erstbeste was ihm dort vor Aufregung einfiel. Helene.
Liebe? Ach, komm mir nicht mit diesem Scheiß!
Ist es nicht Wahnsinn, Liebe zu besingen?
Man mag die Irren in die Anstalt bringen,
Doch mich, den Irrsten, hat man daraus befreit."
Pierre de Ronsard (1524-1585): Sonette für Hélène
Die Liebe? Vielleicht später. Hier sei nur angemerkt, dass ich mich zeit meines Lebens mit den Fragen gequält habe: Werde ich geliebt? Kann ich lieben? Wie fühlt sich Liebe an? Kann man sie riechen, schmecken, berühren?
Antworten? Sind meinen jeweiligen, tagesabhängigen, Befindlichkeiten geschuldet. Vielleicht schälen sich aus den Fragmenten irgendwann unverzerrte Bildfolgen heraus. Wenn nicht, dann halt nicht. Gegrämt wird sich so oder so.
Kraniche
Doch nun tanzt Madame Corona. Meine Träume verhungern ächzend in der abgestandenen Luft unter der Maske.
Springen
Ich ersticke am Leid der anderen

